Oct 7, 2020
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UMZ

Stromwandlerauslegung für den UMZ-Schutz eines Trafos

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ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. Bei der Auslegung von Stromwandlern gilt es eine ganze Menge an Dingen im Auge zu behalten. Dabei ist es von elementarer Bedeutung, zunächst in der „Vogelperspektive“ zu bleiben und nicht gleich „drauf los zu rechnen“. Um einen Überblick über die zur Auslegung erforderlichen Schritte zu erhalten, haben wir die nachstehende Projektierungsmatrix entworfen:

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Projektierungsmatrix aus dem "Stromwandler Intensivseminar"

Bei der Beantwortung der Fragen aus der Matrix helfen die nachstehenden Überlegungen:

Retrofit oder Neuprojektierung?

Es ist ein großer Unterschied, ob wir Wandler für eine neu zu errichtende Anlage auslegen oder ob es sich um die Erneuerung von Bestandsstromwandlern handelt. Im zweiten Fall gibt es nämlich unter Umständen eine belastbare und nachvollziehbare Auslegungsberechnung, auf die zurückgegriffen werden kann. Diese muss hinsichtlich der aktuellen DIN-Vorschriften und entsprechend der Anforderungen des Relais- oder Geräteherstellers überprüft werden. Ist das Bestandsprojekt ok, müssen die Wandler nicht erneut projektiert werden. Andernfalls geht es wie bei einer Neuprojektierung weiter.

Schutz- oder Messsystem?

Eine mit Sicherheit einfach zu beantwortende Frage: Werden Schutzgeräte oder Endgeräte zur Zählung, Messung oder Verrechnung angeschlossen? Die Auslegung von Messwandlern unterscheidet sich grundlegend von der Auslegung von Stromwandlern zu Schutzzwecken.

Nach dieser Entscheidung gilt es, Daten zusammenzutragen. In jedem Fall spielt die Dokumentation der anzuschließenden Geräte die größte Rolle. In den Handbüchern von Schutzrelais, Messumformern und Zählern sind die Anforderungen an die zu verwendenden Wandler spezifiziert. Dazu muss zunächst bekannt sein, welcher Lieferant die Geräte stellt und welcher Gerätetyp final zum Einsatz kommt.

Die Auswahl von Stromwandlern für Schutzzwecke ist von vielen Faktoren abhängig. Die nachstehend aufgeführten Parameter sind bei der Dimensionierung maßgebend:

🌐 Erwarteter Kurzschlussstrom
🌐 Netzzeitkonstante für die DC-Verlagerung
🌐 Umgebungsbedingungen
🌐 Übersetzung des Stromwandlers
🌐 Bürde des Stromwandlers
🌐 Leistungsklasse
🌐 Die Genauigkeit des Stromwandlers
🌐 Eingesetzte Schutzfunktion mit Auslösezeit und Kurzschlusseintritt

Wenn wir die aufgelisteten Daten zusammengetragen haben, kann die Projektierung der Stromwandler beginnen. Im folgenden Beispiel zeigen wir die Wandlerauslegung für die UMZ-Schutzfunktion eines MCDTV4 Transformatorschutz-Relais der SEG Electronics GmbH.

Wandlerauslegung für den UMZ-Schutz eines MCDTV4

Bei Schutzwandlern ist der Nennstrom nicht der alles entscheidende Parameter. Schutzkerne dienen dem Anlagenschutz, mittels schneller und sicherer Abschaltung von fehlerbehafteten Anlagen und Betriebsmitteln im Kurzschlussfall. Aus diesem Grunde ist hier der Kurzschlussstrom von großem Interesse. Dabei spielen die Vorschriften des jeweiligen Geräteherstellers die maßgebende Rolle. Unser MCDTV4 Transformatorschutz-Relais der SEG Electronics GmbH erfüllt vollständig die Norm DIN EN 60255 „Messrelais und Schutzeinrichtungen“ und bietet die nachstehende Belastbarkeit.

🌐 4-facher Nennstrom dauernd belastbar
🌐 30-facher Nennstrom für 10 s
🌐 100-facher Nennstrom für 1 s
🌐 250-facher Nennstrom als Nennstoßstrom (für eine Halbwelle also 10 ms)

In unserem Beispiel sollte der Dauerstrom den 4-fachen Nennstrom nicht überschreiten und im Kurzschlussfall nicht mehr als der 100-fache Nennstrom fließen. Da sich die Herstellerangaben auf den sekundären Bemessungsstrom beziehen, heißt das konkret:

Sollte sich aus der Kurzschlussstromberechnung ein Anfangs-Kurzschlusswechselstrom von  = 10 kA ergeben, wäre ein Wandler mit einem primären Bemessungsstrom von mindestens  = 100 A und einem sekundären Bemessungsstrom von  = 1 A die untere Grenze. Ein 75 A / 1 A Wandler würde das Hersteller-Kriterium von maximal 100 x In für 1 s verletzen, da dieser bereits den 1,33-fachen Wert des zulässigen Stromes beziehungsweise den 5,32-fachen Nennstrom übertragen würde.

Schauen wir uns zudem die Betriebsströme an. Wenn wir betrieblich bedingte Ströme in der Höhe von 400 A erwarten, dann wäre ein 100 A / 1 A Wandler noch ausreichend. Ein 75 A Wandler hingegen wäre ebenfalls zu klein. In der Auslegungspraxis werden wir aus Performance-Gründen meist versuchen, primäre Bemessungsströme großzügig oberhalb der betrieblich bedingten Ströme zu finden.

Verdeutlichen wir uns diesen Zusammenhang nochmal an einem weiteren Zahlenbeispiel:

Wandler im Trafoabgang

Oft wird der Schutzwandler in einem Trafoabgang entsprechend dem Nennstrom des Trafos dimensioniert. Hier kommen häufig 50 A / 1 A Wandler zum Einsatz.

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Wenn der Kurzschlussstrom der Anlage nun 20 kA beträgt und der Fehler auf der Oberspannungsseite des Trafos eintritt, beträgt der sekundäre Fehlerstrom:

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Hier können wir nur auf Wandlersättigung hoffen, andernfalls werden die Messshunts des angeschlossenen Schutzgeräts den sicheren thermischen Tod sterben. Wenn wir auch hier mit einer maximalen Belastbarkeit von 100 A / s rechnen müssen, wäre die Grenze bereits um den Faktor 4 überschritten.

In unserem Beispiel wäre  = 200 A der minimal zulässige primäre Bemessungsstrom.  Hier würde bei sättigungsfreier Auslegung des Kernes ein sekundärer Fehlerstrom von 100 A fließen.

Jetzt könnte man auf die Idee kommen, den primären Bemessungsstrom noch höher zu wählen. Wenn wir uns für einen Wandler mit  = 2 kA entscheiden würden, hätten wir ja nur den 10-fachen Nennstrom auf der Sekundärseite. An dieser Stelle kommt allerdings der minimal zu erfassende Strom ins Spiel:

Der Schutz auf der Oberspannungsseite bildet den Reserveschutz für die Unterspannungsseite. Folglich muss der minimale Fehlerstrom auf der Unterspannungsseite auch auf der Oberspannungsseite sicher messtechnisch erfasst werden können. Wir sehen also auch hier, dass ein sinnvoller Kompromiss erforderlich wird.

Daraus können wir die generelle Bestrebung herleiten, den primären Bemessungsstrom immer so groß wie möglich (wirkt der benötigten Leistung entgegen) und so klein wie nötig (zur sicheren Erfassung minimaler Fehlerströme) zu wählen.

Bei der Wahl des primären Bemessungsstromes halten wir uns an die gültige Normreihe. Die nachstehenden primären Bemessungsströme , bzw. deren dezimale Vielfache oder auch Teile sind in den DACH-Staaten am häufigsten verbreitet:

🌐 10 A
🌐 15 A
🌐 20 A
🌐 30 A
🌐 50 A
🌐 75 A

Nicht ganz so häufig, aber ebenfalls im Einsatz, sind die primären Nennströme (und deren Teile und dezimale Vielfache):

🌐 12,5 A
🌐 25 A
🌐 40 A
🌐 60 A

Für die weitere Betrachtung gehen wir davon aus, das wir die Übersetzung mit 500 A / 1 A ausgewählt haben. Der sekundäre Wicklungswiderstand Rct soll mit 1,5 Ω angenommen und die Überstromstufe I> mit 12,5 kA parametriert werden.

Und nun gibt es nichts weiter zu tun als nach dem „Kochrezept“ des Herstellers vorzugehen, welches im jeweiligen Handbuch zu finden ist. In einem ersten Schritt berechnen wir den „Nennfaktor für den symmetrischen Kurzschlussstrom“ kssc. Dieser ergibt sich zu:

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Da der Kssc laut Handbuch ≥ 20 sein muss, ist diese Bedingung erfüllt.

Um nun einen Stromwandlertyp der Klasse P mit:

5P20 mit 5 VA

einsetzen zu können, muss dieser nun auf Eignung geprüft werden. Die resistive Nennlast Rb ergibt sich aus dem Verhältnis der Nennscheinleistung des Wandlers (5 VA) und dem Quadrat des sekundären Wandler-Bemessungsstromes.

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Da der „Transiente Dimensionierungsfaktor unter Berücksichtigung eines Gleichstromanteiles für den Fehlerstrom“ für den UMZ-Schutz für das MCDTV4 mit 1 angegeben ist ergibt sich ein Gesamtdimensionierungsfaktor k von:

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Den „Accuracy limit factor“ ALF haben wir bei unserem 5P20 Wandler mit 20 gewählt und können nun wie folgt den effektiven Fehlergrenzfaktor unter Berücksichtigung der tatsächlich angeschlossenen Last berechnen:

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Die Bedingung von ALF’ ≥ K ist erfüllt und unser Wandler kann zum Einsatz kommen.

Alle Grundlagen zum Thema Stromwandler und die komplette Vorgehensweise zur Auslegung von Stromwandlern erfahrt ihr im Online-Training "Stromwandler-Intensivseminar" unserer ENGINEERING ACADEMY.

HERZliche Grüsse

Euer SCHUTZTECHNIK-TEAM

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