Oct 10, 2023
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Sonstiges

Alles "Supra" oder was? - Netzrückwirkungen von 2 bis 150 kHz

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ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. Die heutigen Geräte und Betriebsmittel wie Schaltnetzteile, Frequenzumrichter geregelte Antriebe, Ladeeinrichtungen für E-Mobile oder LED Beleuchtungen, arbeiten intern mit hohen Taktfrequenzen um Leistungen effizient zu regeln. Diese können sowohl zu leitungsgebundenen als auch zu feldgebundenen (eingekoppelten) Beeinflussungen im Energienetz führen. In diesem Fachbericht zeigen wir, wie diese Verursacher von Störeffekten im Netz mit geeigneter Messtechnik detektiert werden können.

Achtung, bevor wir starten noch ein wertvoller Hinweis:

Am 24. Oktober startet um 11.00 Uhr ein kostenloses Webinar mit dem Thema: "PQMobil - Netzanalyse in industriellen Energienetzen: Erfahrungswerte, Anwendungsbeispiele & zukünftige Entwicklung" mit Jürgen Blum von der A. Eberle GmbH & Co. KG. Dieses kostenlose Webinar solltet Ihr Euch auf keinen Fall entgehen lassen. Bitte registriert Euch am besten gleich unter diesem Link.

HERZliche Grüsse,

Euer SCHUTZTECHNIK-TEAM

Alles SUPRA oder was? Netzrückwirkungen!

Der Wandel in der Energietechnik

Energieeffizienz und Kosteneinsparung

Um die Energie effizienter nutzen zu können, steuern wir heute vieles über Leistungselektronik. So tauscht man einen Asynchronmotor häufig gegen einen Frequenzumrichter geregelten Antrieb aus oder ein Gerät erhält ein Schaltnetzteil anstelle von einem Transformator.

Verursacher von Netzrückwirkungen

Die neue Gerätetechnik bezieht in der Regel, im Gegensatz zur alten Technik, keinen sinusförmigen Strom mehr aus dem Netz. Power Quality Messgeräte zerlegen diesen Strom in das Spektrum aller Frequenzen. In der Netzqualitätsmessung unterteilen wir heute Netzrückwirkungen in Harmonische, Zwischenharmonische und neuerdings in Supraharmonische.

Wir definieren Harmonische als Vielfache der Grundschwingung (Beispiel 250 Hz = 5. Harmonische bei einer 50 Hz Grundschwingung). Liegen Frequenzen zwischen zwei ganzzahligen Vielfachen der Grundschwingung, so bezeichnen wir diese als Zwischen- oder Interharmonische. In der Power Quality Messtechnik sowie in den Normen fasst man in der Regel alle Interharmonischen von einem Bereich zu einem Wert zusammen (Beispiel alle Frequenzen zwischen >350 Hz und <400 Hz gehen in die 7. Interharmonische ein).

Hohe Frequenzen größer 2,5 kHz bis 150 kHz benennt man häufig als Supraharmonische. Ach ja, Subharmonische gäbe es auch noch. Das sind Frequenzen kleiner der Grundschwingung, welche häufig zu einem Flickerproblem führen können. Das folgende Bild zeigt ein Frequenzspektrum der Spannung von DC bis 20 kHz in einem öffentlichen Netz. Zu erkennen sind Harmonische sowie Supraharmonische, welche in diesem Fall durch einen Frequenzumrichter geregelten Antrieb erzeugt wurden. Die größten Pegel liegen hier bei 10 kHz mit ca. 1,8 V.

Frequenzspektrum Oberschwingungen

Typische Taktfrequenzen

Typische Taktfrequenzen von Anlagen und Geräten mit denen wir heute in unseren Netzen rechnen müssen, sehen wie folgt aus:

🌐 Frequenzumrichter Antrieb: 4 kHz bis 20 kHz

🌐 Solar-Wechselrichter (400 V): 16 kHz bis 22 kHz

🌐 WK-Anlage (MS-Netz): 2 kHz bis 6 kHz

🌐 E-Mobil: 10 kHz bis 80 kHz

🌐 Aktive Netzfilter: 8 kHz bis 20 kHz

🌐 USV-Anlagen: 15 kHz bis 25 kHz

🌐 EVG Leuchten: 20 kHz bis 200 kHz

🌐 Schaltnetzteile: 30 kHz bis 300 kHz

Woher kommen diese hohen Schaltfrequenzen?

Beispiel: Ein Brückengleichrichter am Eingang einer CNC-Maschine richtet die drei Phasenspannungen zu einer DC-Spannung gleich. Diese DC-Spannung wird mit einer bestimmten Taktfrequenz in Pulse mit verschiedener Puls-Pausen-Zeit zerlegt, um im Verbraucher einen sinusförmigen Strom hervorzurufen. Das nennt man „sinusbewertete Pulsbreitenmodulation“. Über diesen Weg kann man die Drehzahl des Motors steuern. Verbraucher mit sehr hoher Leistung wie eine Windkraftanlage haben in der Regel eine niedrige Schaltfrequenz während Anlagen mit geringer Leistung mit viel höheren Taktfrequenzen arbeiten.

Das folgende Bild zeigt ein Schema für den Aufbau eines Frequenzumrichter geregelten Antriebes, welcher aus einem Gleichrichter, einem DC Zwischenkreis und einem Wechselrichter besteht.

Umrichter als Verursacher von Netzrückwirkungen

Diese Taktfrequenzen sowie deren Seitenbänder sind sowohl im Netzstrom, als auch in der Netzspannung zu erkennen, welche über die Netzimpedanz abgebildet wird.

Im Beispiel sehen wir das Frequenzspektrum der Spannung von einem Verbraucher mit einer Taktfrequenz von 4,5kHz bei 2,5V einer Industrieanlage.

Frequenzstörung bei 4500 Hz

Mit dieser Schaltfrequenz arbeitet ein Antrieb. Dies ist aber nicht die einzige Frequenz, welche sich im Energienetz abbildet. Es ergeben sich noch weitere Frequenzen, die wir als Netzrückwirkung aus dieser Anlage erhalten. Mithilfe der nachstehenden Formel bekommen wir alle Vielfachen der Schaltfrequenz und deren Seitenbänder berechnet.

f𝛍 = n ∙ fT ± 2n ∙ f1

n = 1, 2, 3 ...

f𝛍 = Taktfrequenz des Wechselrichters

f1 = Grundschwingung (50 Hz)

In unserem Beispiel prägt diese Anlage neben den 4,5 kHz auch alle Vielfachen hier von 9 kHz, 13,5 kHz; 18 kHz… in das Netz ein, sowie zusätzlich deren Seitenbänder von +/-100 Hz; +/200 usw.

Probleme?

Was sind die Probleme mit den wir konfrontiert werden können? Folgende unerwünschte Effekte können nun im Netz aufgrund von Supraharmonischen auftreten:

1. Fehlfunktion von Geräten

Immer mehr Verbraucher werden über sehr kleine Steuersignale höherer Frequenz geregelt. Nun kann es vorkommen, dass ein höherfrequentes Störsignal von einem Verbraucher genau diese Frequenzen ins Netz einprägt, mit denen ein anderes Gerät angesteuert wird. Hier ein Beispiel: In einem Hotel, welches alles Zimmer mit Touch-Dimmerlampen ausgerüstet hatte, konnte ein Industriebetrieb, der in der Nähe produzierte, diese Lampen selbstständig ein- und ausschalten. Da dies auch nachts passierte, war das sehr ungünstig für die Übernachtungsgäste. In einem anderen Fall konnten die Rückwirkungen  eines Solarwechselrichters eine automatische Melkstraße für Kühe in einem landwirtschaftlichen Betrieb zum Ausfall bringen. In beiden Fällen kommt es zu keinem Schaden, jedoch funktionieren bestimmte Verbraucher in diesem Netz nicht fehlerfrei.

2. Störende Pfeifgeräusche

Ein weiteres Problem, welches in unseren Netzen immer häufiger auftritt, sind störende Pfeif- oder Brummgeräusche von Verbrauchern. Taktfrequenzen liegen häufig im Hörbereich des menschlichen Ohres. In der Regel kann der Mensch bis maximal 16kHz Töne wahrnehmen, aber Personen sind hier sehr unterschiedlich in der Empfindsamkeit. Aus einer Industrieanlage ist man es bereits gewohnt, dass sobald zum Beispiel eine CNC Maschine arbeitet, ein Pfeifgeräusch aus der Anlage wahrgenommen werden kann. Pfeift aber beim Nachbar auf der anderen Straßenseite der Klingeltrafo oder Beleuchtungseinrichtungen und das evtl. auch noch nachts, dann kann das als stark störend empfunden werden und es muss nach einer Abhilfe dieser Störung gesucht werden.

3. Ausfall von Geräten bzw. Alterung

Die Belastung durch Taktfrequenzen anderer Verbraucher in der Nähe stellt auch eine Beeinträchtigung dar. Ströme höherer Frequenz werden durch Induktivitäten wie Transformatoren stark gedämpft und möchten somit nicht in Richtung Ortsnetztransformator fließen. Vielmehr suchen sich diese Schaltfrequenzen andere Verbraucher in der Umgebung, welche eine niedrige Impedanz für diese hohen Frequenzen aufweisen. Durch die zusätzliche Stromaufnahme werden dieser Verbraucher stärker erwärmt, da die Verluste im Quadrat zum Strom zunehmen P = I²xR. Kondensatoren können überlastet werden oder zumindest schneller altern, da sie für hohe Frequenzen eine sehr niedrige Impedanz aufweisen.

XC = 1 / (ω ∙ C) mit ω = 2𝜋f

Eine erhöhte Stromaufnahme bedeutet immer auch eine höhere thermische Belastung des Verbrauchers, welches wiederum zu einer verringerten Lebensdauer führt. Warum hält meine LED-Lampe nicht so lange wie auf der Verpackung angegeben wird? Es könnten Supraharmonische eine Rolle spielen.

Die Störpegelausbreitung im Netz wird somit signifikant durch alle in der Umgebung angeschlossenen und eingeschalteten Geräte beeinflusst und weniger durch die Leitungsimpedanzen.

In den Spannungsqualitätsnomen wurde reagiert.

Lange Zeit war der Frequenzbereich von 2,5kHz bis 150KHz ein normfreier Raum. Die EMV Norm IEC61000-2-2 (Umgebungsbedingungen – Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen in öffentlichen Niederspannungsnetzen) hat bereits reagiert und seit 2018 den Bereich der Grenzwerte von bisher 2,5 kHz auf 30 kHz erweitert. 2019 wurden dann Grenzwerte von 30 kHz bis 150 kHz eingeführt und die Normlücke vollständig geschlossen. Oberhalb von 150 kHz bis mind. 30 MHz gelten für Störaussendung von Geräten und Anlagen ebenso Grenzwerte. Diese werden im Zuge einer EMV Prüfung für die Zulassung des Gerätes in einem Prüflabor überprüft.

Somit haben wir heute einen lückenlosen Bereich mit Verträglichkeitspegeln.

Grenzwerte der IEC61000-2-2

Grenzwerte der IEC61000-2-2

Fast jeder Verbraucher hinterlässt Spuren im Netz oder anders gesagt:

„Zeige mir deinen Strom und ich weiß mehr über Dich als du erwartest“

Ich hatte einen Netzanalysator (PQ-Box 300) in meiner Unterverteilung im Keller installiert und wollte den Grund für ein sporadisches Auslösen von einem FI-Schutzschalter näher analysieren.

Das Bild zeigt den Einbauort des Messgerätes PQ-Box 300 sowie der Stromzangen L1, L2, L3, N-Leiter. Eine weitere große 5. Stromzange erfasste zusätzlich den Differenzstrom aller Ströme am Anschluss zum FI-Schutzschalter.

PQ-Box 300 Messaufbau

Neben der Analyse das fehlerhafte Gerät, welches meinen FI-Schutzschalter auslöst, im Haus ausfindig zu machen, ist mir aufgefallen, dass viele Verbraucher in meiner Verteilung ihre Spuren im Frequenzspektrum hinterlassen. So konnte ich im Frequenzbereich viele Geräte eindeutig identifizieren, obwohl diese im Summenstrom des ganzen Hauses mit allen Verbrauchern, sicher nicht aufgefallen wären. So konnte ich nachvollziehen, wann die Waschmaschine gelaufen ist oder wann meine Frau mit dem Staubsauger unterwegs war, welcher eine eindeutige Frequenz von 8kHz im Spektrum hinterlässt.

Das folgende Bild zeigt das Spektrum aller Frequenzen der Spannung bis 170kHz über den Zeitraum von einer Woche in einer Art 3-D Darstellung. Die Farbverläufe zeigen die Pegelhöhe der jeweiligen Frequenzen an. Interessant für mich war, dass man sogar sehr keine Verbraucher wie eine Playsation 4 der Kinder eindeutig im Frequenzspektrum bei 64kHz finden konnte, obwohl ich zwei Stockwerke entfernt gemessen hatte. Somit konnte ich die Vorgaben an das Kind, nur maximal eine Stunde am Tag zu spielen, überwachen, auch wenn ich gar nicht zuhause war.

Spektrum aller Frequenzen

Das folgende Bild zeigt die 64 kHz Frequenz auf der Spannung Phase L1 in der Verteilung. Da das Kinderzimmer 1 auch auf der Phase L1 angeschlossen ist, sind das die Zeiten in denen unser Teenager zockt. Der lässt sich aber nichts mehr vorschreiben.

64 kHz Frequenz

Die unterschiedlichen Pegelhöhen sind auf andere gerade eingeschaltete Verbraucher und deren Kompensationseffekt zurückzuführen. Da um z.B. 20:30 Uhr auch viele andere Geräte im Haus eingeschaltet sind, nehmen diese einen Teil der Energie der 64 kHz Frequenz auf und reduzieren hierdurch diesen Störpegel den ich in der Verteilung messen kann. Um 1 Uhr nachts sind nur noch wenige Verbraucher aktiv, hier wirken sich die Pegel stärker aus und können in der Verteilung im Keller mit erhöhten Werten gemessen werden.

Der 12-jährige hat eine zeitliche Beschränkung auf 1 Stunde und diese wurde mit 2 Std. in diesem Fall eindeutig überschritten.

Das Bild zeigt die 64 kHz-Frequenz auf der Spannung der Phase L3 in der Verteilung. Diese Phase versorgt auch das zweite Kinderzimmer und kann somit eindeutig dem jüngeren Sohn zugeordnet werden.

64 kHz-Frequenz auf der Spannung der Phase L3

Der eingesetzte Power Quality Netzanalysator PQ-Box 300 verwendet 24 Bit Analog-Digital Eingangswandler und eine Abtastrate von 409,6 kHz. Aufgrund der extrem hohen Auflösung können selbst kleinste Störpegel von einigen Millivolt sehr exakt gemessen und zugeordnet werden. Der Messbereich für Supraharmonische erfasst Frequenzen bis 170 kHz. Diese können permanent über einen langen Messzeitraum lückenlos erfasst werden. Für die oben geschilderten Probleme ist es in den seltensten Fällen möglich den Verursacher über eine kurze Onlinemessung zu detektieren. In der Regel sollten über mindestens eine Woche alle Messdaten ohne Einschränkung erfasst werden, um später durch die Korrelation der verschiedenen Messwerte den Zeitpunkt der Störung und auch den Verursacher eindeutig zuordnen zu können.

Fazit

Netzrückwirkungen im Frequenzbereich zwischen 2 kHz und 150 kHz nehmen seit einigen Jahren in unseren Energienetzen stetig zu und dieser Trend wird auch weiter anhalten, auch durch die Energiewende stark getrieben. Auf der anderen Seite steuern wir immer mehr Geräte und Anlagen mit kleinen Signalen. Eine gegenseitige Beeinflussung ist nicht ausgeschlossen. Die Spielregeln für das öffentliche Netz legt heute die EMV Norm IEC61000-2-2 fest und regelt mit ihren Grenzwerten bis 150 kHz, ob ein Verbraucher zu hohe Störpegel am Anschluss in das Netz einbringt, oder ob ein gestörtes Gerät eine zu geringe Störfestigkeit aufweist. Die Messtechnik kann dies beweisen. Liegt der Störpegel noch unter den Grenzwerten und ein Verbraucher wird negativ beeinflusst, so ist hier die Störfestigkeit wahrscheinlich zu gering ausgelegt. Wird der Grenzwert der Norm überschritten, so liefert mit ziemlicher Sicherheit der Verursacher zu hohe Rückwirkungen in das Netz.

Der eingesetzte Power Quality Netzanalysator PQ-Box 300 verwendet 24 Bit Analog-Digital Eingangswandler und eine Abtastrate von 409,6 kHz. Aufgrund der extrem hohen Auflösung können selbst kleinste Störpegel von einigen Millivolt sehr exakt gemessen und zugeordnet werden. Der Messbereich für Supraharmonische erfasst Frequenzen bis 170kHz. Diese können permanent über einen langen Messzeitraum lückenlos erfasst werden. Für die oben geschilderten Probleme ist es in den seltensten Fällen möglich den Verursacher über eine kurze Onlinemessung zu detektieren. In der Regel sollten über mindestens eine Woche alle Messdaten ohne Einschränkung erfasst werden, um später durch die Korrelation der verschiedenen Messwerte den Zeitpunkt der Störung und auch den Verursacher eindeutig zuordnen zu können.

HERZliche Grüsse,

Euer SCHUTZTECHNIK-TEAM

Autor: Jürgen Blum, Produktmanager Power Quality Mobil bei der A. Eberle GmbH & Co. KG

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